CE&TRADE HomeTec Juli/August 2025

CEplus-Infos im interaktiven CE-ePaper auf www.hometec-ce.de 10 7-8/2025 WIRTSCHAFT Dr. Martin Schul- te: „Auch in einem stagnie- renden Markt gibt es Wachs- tumspotenziale, wenn man ihn genau analysiert und sich nicht mit Durch- schnittlichkeit zufriedengibt. Wer diese Chan- cen erkennt, sieht auch seine Möglichkeiten. Ein großer Hebel ist die kreative Aktivierung von Verbrauchern.“ D ie Wirtschaft steht weiter unter Druck, und auch die Weiße Wa- re bleibt davon nicht verschont. Wir haben mit Dr. Martin Schulte , Senior Partner bei der Strategieberatung Oli- ver Wyman und globaler Experte für Unterhaltungselektronik und Haus- geräte, über die Aussichten für 2025 gesprochen. Er beleuchtet, ob das lau- fende Jahr ein Weg aus der Krise sein kann, Chancen bereithält und wie Un- ternehmen jetzt agieren sollten. Wie schätzen Sie die Wachstumsaus- sichten für den Sektor der Weißen Ware und angrenzende Bereiche im Jahr 2025 ein? Dr. Martin Schulte: „Wir prognostizie- ren für dieses Jahr verhaltenes Wachs- tum. Der Neubausektor im Immobi- lienmarkt, der für die Branche eine wichtige Rolle spielt, ist 2024 deut- lich geschrumpft – auf etwas mehr als 200.000 Einheiten. Ich rechne nicht damit, dass sich das kurzfristig ändert, vor allem wegen Inflation und steigen- der Lebenshaltungskosten. Das Ersatz- geschäft bleibt zudem hart umkämpft, mit starken Preisnachlässen und ag- gressiven Werbeaktionen.“ Das klings wahrlich nicht gut, gib es trotdem Lichblicke für den Handel? „Definitiv, erste Erholungsanzeichen sind erkennbar. Die EZB hat den Zins- satz bereits auf unter drei Prozent ge- senkt, und wir beobachten, dass die Preise sich stabilisieren. Zudem könn- te der Ausgang der Bundestagswahlen in Deutschland in der zweiten Jahres- hälfte positive Impulse für den Sektor bringen.“ Wie solltenUnternehmen in diesemhe- rausforderndenMarktumfeld agieren? „In so einer Situation neigt man da- zu, auf Investitionen zu verzichten, das Geschäft eher kurzfristig zu steuern und sich auf Effizienz sowie Kostensenkun- gen zu fokussieren. Viele Unterneh- men und CEOs bewegen sich entweder in einem expansiven oder in einem re- striktiven Managementmodus – in der Hoffnung auf bessere Zeiten mit mehr Umsatzwachstum und optimistischerer Konsumentenstimmung. Was dabei oft übersehen wird: Auch in einem stagnierenden Markt gibt es Wachstumspotenziale, wenn man ihn genau analysiert und sich nicht mit Durchschnittlichkeit zufrie- dengibt. Wer diese Chancen erkennt und aktiv nutzt, kann von grundlegen- den Veränderungen profitieren.“ Das klingt ja doch ein wenig ermu- tigend, können Sie Beispiele nennen? „Zum Beispiel die Neuausrichtung auf den Kern des Marktes. Nach den Preisrückgängen in den vergangenen beiden Jahren sehen wir jetzt ein Wachstum im mittleren Preissegment. Hersteller sollten sich dieser struktu- rellen Veränderung bewusst sein und ihr Portfolio entsprechend anpassen. Es kann sinnvoll sein, Ressourcen für Innovation und Forschung gezielter einzusetzen – nicht nur für Premium- Produkte, sondern auch für die breite- ren, erschwinglicheren Segmente, die weiter an Bedeutung gewinnen.“ Welche weiteren Ansätze sehen Sie, mit denen Unternehmen erfolgreich wachsen können? „Ein großer Hebel ist die kreative Ak- tivierung von Verbrauchern. Einige Marken machen es zur Zeit vor: Sie set- zen auf soziale Medien, Testimonials, eine agile sowie verbraucherorientierte Kommunikation – und erzielen selbst in etablierten Märkten wie Europa Wachstumsraten von über 20 %. Wer frühzeitig auf diesen Zug aufspringt, wird von diesem Trend profitieren.“ Kreative Wege in der Verbraucher- Ansprache – hat das auch Einfluss auf Vertriebswege? „Ich möchte Ihnen eine Entwicklung aus demKüchenmarkt nennen: Kleine, digitale Küchenstudios in Innenstädten bieten ein umfassendes Planungserleb- nis, unterstützt durch neue Technolo- gien. Sie kommen also dorthin, wo die Verbraucher sind, diese müssen nicht mehr „raus“ ins Möbelhaus fahren. Es gibt schon reale Beispiele dieses Kon- zepts, und es ist wahrscheinlich, dass weitere Anbieter folgen werden. Wer früh dabei ist, kann hier neue Kunden gewinnen.“ Alle sprechen gerade von Robotik: Welche Chancen sehen Sie in diesem Bereich? „Die Revolution in diesem Sek- tor steht unmittelbar bevor. Neben Fortschritten bei generativer KI entwickelt sich auch die physische KI rasant weiter. Große US-Tech- Unternehmen haben allein 2024 über 14 Milliarden US-Dollar in diesen Bereich investiert. Besonders spannend: Die Preise für humanoide Roboter werden bald unter 15.000 US-Dollar fallen. Das eröffnet völ- lig neue Umsatzmöglichkeiten für Unternehmen, die bereit sind, in dieses aufstrebende Ökosystem zu in- vestieren. Europa wird derzeit viel- leicht nicht führend im Bereich der Hardware sein, die aus Asien und den USA kommt. Aber hier bieten sich Möglichkeiten z. B. in der Software- Entwicklung, bei Sprachmodellen oder ähnlichem.“ Gilt in allem also die alte Devise die ‚Krise als Chance‘ zu sehen? „Es kann passieren, dass man in einem schwierigen Marktumfeld träge wird – mit der Folge, Trends im jeweiligen Sektor zu verschlafen, die eigentlich enorme Chancen für Neues bieten. Wer diese Chancen nutzt, und jetzt die richtigen Weichen stellt, kann Grund- lagen für den kommerziellen Erfolg in den kommenden Jahren legen.“ KRISE IM MARKT FÜR HAUSGERÄTE Was ist 2025 zu erwarten? Haushaltsroboter: Ja, Vielleicht, Nein: Ganz gleich, ob Saugroboter, humanoi- der Koch oder automatisierte Pflegeassistenz: Wäh- rend 36 Prozent der Menschen in den kommenden fünf bis zehn Jahren ablehnen, dass ein Roboter ihre Türschwelle passiert, heißen 37 Prozent die maschinellen Helfer willkommen. Das ergab eine gemeinsame Verbraucher-Umfrage der Branchen- organisation GFU Home & Consumer Tech und der internationalen Strategieberatung Oliver Wy- man. Die Akzeptanz schwankt kräftig je nach Al- ter, Einkommen und Geschlecht: Es sind vor allem jüngere Menschen und Personen mittleren Alters, die sich bevorzugt von Haushaltsrobotern unter- stützen lassen würden. Bei den über 55-Jährigen hingegen steigt die Skepsis deutlich an. Besonders aufgeschlossen sind zudem all jene, die schon heu- te Geld für Putzkräfte, Gärtner, Pfleger oder Ba- bysitter ausgeben. Was gleichzeitig auch bestätigt, dass die Zustimmung mit dem Einkommen steigt: Nur 50 bis 60 Prozent der Menschen mit einem Jahreseinkommen unter 30.000 Euro können sich Roboter-Unterstützung vorstellen. Bei Befragten mit mindestens 80.000 Euro Jahreseinkommen sind schon 70 bis 80 Prozent aufgeschlossen. Das Geschlecht hingegen spielt kaum eine Rolle für die Frage der Akzeptanz. Nur wenn es um Babysit- ting geht, sind Frauen wesentlich zurückhaltender (20 Prozent Zustimmung) als Männer (36 Prozent Zustimmung). „Der wesentliche Bremsfaktor im Markt für Haushaltsroboter ist der Preis – und die- ses Hemmnis wird sich in Luft auflösen: Die Kos- ten für einen humanoiden Roboter werden sich bis zum Jahr 2035 mehr als halbieren. Die Studie zeigt, dass zwei Drittel der deutschen Verbraucher die Vorteile von Haushaltsrobotern erkannt haben. Nach unserer Einschätzung werden die nächsten, auch kommerziell relevanten Durchbrüche zum Beispiel in Bereichen wie dem Handwerk oder der Gartenarbeit geschehen. Zudem werden sich weite- re Möglichkeiten im Haushalt ergeben“, berichtet Dr. Martin Schulte , Partner Retail and Consumer Goods bei Oliver Wyman.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjE2Mzk=